
Schwarz auf Weiß
23.10.2017Kreis Groß-Gerau: Fachstelle Geflüchtete und Arbeit
Motiviert zum Hauptschulabschluss

„Wir geben das Netzwerk, die Abendhaupt- und realschule gibt die Plattform.“ Das sagt Katherina Pierstorf, Leiterin der Fachstelle Geflüchtete und Arbeit des Kommunalen Jobcenters Kreis Groß-Gerau, als sie über ein besonderes schulisches Angebot der AHRS Groß-Gerau für Geflüchtete spricht. Pierstorf beschreibt damit das neue Angebot, das durch die Kooperation möglich wird: Die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen können ihren Hauptschulabschluss machen.
Geworben unter Menschen, die mindestens das Sprachniveau B1 erreicht haben, wird über die Träger von Sprachkursen, wie zum Beispiel Volkshochschulen und Internationalem Bund, und über das Kommunales Jobcenter. Zusammenarbeit gibt es zudem mit den Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) und der Bundesagentur für Arbeit. „Das Bildungsziel Hauptschulabschluss ist die Grundvoraussetzung für die weitere Teilhabe am Bildungssystem und am Arbeitsmarkt“, sagt Holger Darmer, Leiter der Abendschule Groß-Gerau, wo der Unterricht stattfindet. Der Hauptschulabschluss ist Basis dafür, einen anerkannten Ausbildungsberuf zu lernen. Auch der Erwerb des Realschulabschlusses ist im Anschluss möglich.
Die erste Hauptschulklasse mit Sprachförderung für aus Krisengebieten zugewanderte Menschen, die bereits mindestens ein Jahr Deutschunterricht hatten, wurde zum Schuljahr 2017/18 eingerichtet. In ihr lernen 22 Studierende, in der Regel um die 20 Jahre alt, aus den Herkunftsländern Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, Irak, Syrien und Pakistan. Zum Beispiel Ali, der aus dem Irak stammt und seit zwei Jahren in Deutschland lebt. Er hat den Kurs an der AHRS von Volkshochschulmitarbeitern empfohlen bekommen, erzählt er. „Die Schule ist perfekt für uns“, sagt Ali, weil der Unterricht abends zwischen 17 und 21.40 Uhr stattfindet. „Tagsüber arbeiten wir oder besuchen weitere Kurse.“ Das kann der 19 Jahre alte Jafaf Kazimi aus Afghanistan - der eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre hat - nur bestätigen. Er möchte keine Zeit verlieren, möglichst schnell die Sprache lernen, parallel aber auch arbeiten - und später gern Kunst studieren.
Die Fachstelle Geflüchtete und Arbeit ist für anerkannte wie auch für nicht anerkannte Flüchtlinge da, sagt Holger Darmer. Die Beratung soll ihnen helfen, Fuß zu fassen. Der Hinweis auf die Hauptschulklasse gehört dazu. Denn der Abschluss „erhöht Bleibeperspektiven und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Hicham Larja von der Fachstelle. Das fördert die Motivation. Eigener Antrieb ist wichtig, denn einfach ist das Lernpensum nicht.
An der AHRS erhält die Klasse 22 Stunden Unterricht pro Woche. Hauptfächer sind Deutsch, Englisch und Mathematik. Wobei auch im mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterricht der Fokus auf die Sprachförderung gelegt wird, wie Tutorin Kerstin Tiede erzählt: „Zu den Kenntnissen in der Alltagssprache kommt noch die fachspezifische Sprache dazu.“ Aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler lernen, auch die Lehrkräfte müssen sich umstellen: in kurzen Sätzen sprechen, weniger diktieren und mehr an die Tafel anschreiben, die Studierenden viel selbst sprechen lassen. Deutschlehrerin Ute Kutschinski ergänzt: „Das Textverständnis ist bei vielen schon ganz gut. Das Schriftliche ist eher das Problem.
Ziel ist auf jeden Fall, korrekte Sätze schreiben zu können.“ Weitere Fächer sind die Naturwissenschaften, Historisch-Politische Bildung und Arbeitslehre.
Die Lehrerinnen sind bislang sehr zufrieden mit Einsatz, Motivation und Fähigkeiten ihrer Schüler und Schülerinnen. Das Leistungsniveau ist vergleichbar mit dem allgemeinen Hauptschulkurs, sagt Kerstin Tiede.
Weil der Bedarf vorhanden ist, soll es an der Groß-Gerauer AHRS ab Februar eine weitere Hauptschulklasse mit mindestens 16 Geflüchteten geben. Das Kultusministerium hat genehmigt, dass ein zweiter Kurs zu diesem sonst nicht üblichen
Termin beginnt, berichtet Holger Darmer. Voraussetzung für den Start in der Klasse sind ein Aufnahmegespräch und ein bestandener Test in Deutsch und Mathe.
„Für mich ist das eine tolle Chance zu lernen, die ich in Afghanistan nicht hatte“, sagt Mariam Aslami (50). Die Mutter von vier Kindern lebt seit drei Jahren in Deutschland, hat über das Diakonische Werk von der Schulklasse gehört. Sie ist voll motiviert und weiß jetzt schon: „Nach dem Hauptschulabschluss mache ich weiter mit der Realschule oder mit einer Ausbildung.“